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Der Käfer

 

Diesen Erlebnisbericht schreibe ich Wochen später nieder. Es wundert mich selbst, dass ich jetzt noch jedes Detail weis, also scheint dies wichtig zu sein, obwohl es mir vordergründig banal vorkommt. In meiner Erlebniswelt tritt jedes Lebewesen, jede Materie miteinander in Kontakt, um Botschaften zu überbringen. Alles ist Verbunden in einem Netzwerk des Lebens und der Lebendigkeit. Dieses wundervolle Miteinander beschenkt jeden, der es beobachten kann, mit tiefem Frieden ...

 

Ich saß auf meiner Couch und sah fern. Beim Tee einschenken bemerkte ich einen Käfer, der mit eingezogenen Füßen nah meiner Teekanne kauerte. Er sah aus wie ein Herrgottskäferchen mit umgekehrter Farbgebung. Er hatte zwei riesige und zwei kleine orangene Punkte auf seinem schwarzen Rücken.

 

Meine erste Reaktion war meine Frage an mich, ob ich den Käfer als Ungeziefer, oder als Lebewesen betrachten wollte. In solchen Momenten gehe ich gerne in meine Beobachterhaltung – ich bemerke alle meine Gedanken bewusst und beobachte meine Entscheidung. Es kamen Gedanken aus meiner Erziehung (wo einer, da sind noch mehr: währet den Anfängen ...) und meinem Herzen (lebt er noch? Wie kann ich ihm helfen? Braucht er denn Hilfe?).

 

Zu meiner Freude entschied ich mich den Käfer als gleichberechtigtes Lebewesen zu betrachten. Die Vorstellung ‚Käferhospital’ zu spielen begeisterte mich, denn das war neu und alles Neue birgt in sich Entdeckungspotential. Also fragte ich mich, wie ich mit dem Käfer in den Austausch treten könnte, um herauszufinden, ob und was er denn bräuchte. Natürlich kam zuerst gar nichts, denn in mir stieg das Wort ‚lächerlich’ auf, welches mich  blockierte. Das kenne ich schon – und aus meiner Erfahrung weis ich, dass Warten ein gutes Mittel zur Auflösung dieser Blockade ist. Deshalb konzentrierte ich mich auf die empfundene Freude meiner Rolle in meinem ‚Käferhospital’ und wartete.

 

Während des Wartens visualisierte ich das Netz des Lebens, darunter verstehe ich die Bejahung der Verbundenheit aller Lebewesen untereinander. Das ist eine wunderschöne Vorstellung, die ich besonders gerne anwende. In der Schwingung dieser Vorstellung trat das Wasser in den Vordergrund und beglückt wusste ich nun, dass der Käfer etwas zu trinken brauchte.

 

In dem Deckel meiner Teekanne hatte sich etwas Kondenswasser angesammelt, welches ich vorsichtig vor den Käfer tropfen ließ. Oh welch eine Freude, der Käfer krabbelte sofort langsam zu dem Tropfen und begann zu trinken. Danach kauerte er sich wieder in seine Wartehaltung.

 

Da sonst nichts kam wusste ich, für heute hatte er alles was er brauchte. Ich beobachtete ihn jedes Mal, wenn ich mir Tee nachschenkte. Er saß immer auf dem gleichen Fleck und bewegte sich nicht. Natürlich kamen mir auch Gedanken wie „was ist, wenn er zum sterben zu Dir gekommen ist?“, aber auf die Traurigkeit dieses Gedankens lies ich mich gar nicht erst ein. Mir war bewusst, dass ich etwas lernen durfte und ich schenkte mir all mein Vertrauen, dass dies auch geschehen würde.

 

Am nächsten Tag war der Käfer immer noch da, an der gleichen Stelle und in der gleichen Haltung. Ich fühlte, dass es Zeit für Nahrungsaufnahme war und fragte mich, was ein Käfer wohl so fressen würde. Kekse waren es nicht, denn entsprechende Krümel wurden ignoriert. Dann kam mir die Idee ihm etwas von meinem Algen- Orangensaftgemisch vor die Füße zu tropfen. Es war herrlich seine Begeisterung zu fühlen! Er flitzte förmlich zu dem Tropfen und war lange mit futtern beschäftig.

 

Oh ja, es ging ihm danach sichtlich besser, denn er begann die Gegend zu erkunden und ich fand es sehr unterhaltend ihn dabei zu beobachten. Dann war er verschwunden und tauchte erst zwei Tage später von mir unerwartet wieder auf. Für mich war er schon zu einem lieben Freund geworden und so freute ich mich sehr ihn wieder zu sehen.

 

Als erfahrene Käferhalterin *kicher* bot ich ihm sofort wieder Wasser an, welches er gerne annahm. Später schaute ich ihm zu, wie er auf meiner Teekanne herum marschierte und sah, wie er sich immer wieder aufrichtete, um von der Teekanne weg auf eine Tüte umzusteigen. Das war witzig, wie die kleinen Beinchen in der Luft ruderten, ohne eine Chance, das ersehnte Ziel zu erreichen.

 

Plötzlich bekam ich den Impuls dem Käfer zu helfen, indem ich das Papier der Tüte etwas mehr zur Teekanne neigte. Der Käfer ergriff sofort das Papier, ich lies etwas zu schnell los und der Käfer ging ‚erschreckt?’ in seine Kauerhaltung.

 

Warum auch immer wusste ich, dass diese kleine Begegnung eine wichtige Botschaft für mich trägt. Also übertrug ich alle Erlebnisse mit dem Käfer in meine Erscheinungswelt. Ich staunte nicht schlecht, denn mir geht es genau so wie dem Käfer: wenn ich wirklich etwas brauche, ist immer jemand/etwas da, dass mir hilft. Sobald mir etwas zu heftig erscheint, gehe ich in die Warteposition, bis ich mich wieder weiter traue ...

 

Mein kleiner Freund scheint seinen Auftrag ausgeführt, und ich scheine gelernt zu haben, denn ich habe ihn bis jetzt nicht mehr gesehen.

 

Ich habe bewusst nur das Offensichtliche beschrieben und tiefer gehende Interpretationen ausgelassen. Du darfst diese kleine Geschichte für Dich ganz frei interpretieren. Aktiviere Deine Kreativität und habe viel Freude und Erkenntnisse dabei ;-)))

 

Herzlichst

Brigitte