Rollendenken
Wir können
das, was wir sind niemals verleugnen. Wir zeigen immer
wo wir stehen und was wir glauben, durch unser Verhalten, unsere
Gefühlswelt
und unsere Gedanken.
Allein das Fehlen des
Überblicks lässt uns das, was wir zu jeder
Zeit ausdrücken, in Begrenztheit sehen. Durch diese Begrenzung
haben wir viele
Aspekte unserer Selbst aus den Augen verloren und die eigene
Unvollkommenheit
scheint bewiesen zu sein.
Sobald wir beginnen
uns mit begrenztem Blick anzuschauen, übernehmen
wir diese Art des Sehens in unser SEIN. Das bedeutet, egal was wir nun
ansehen,
überall fehlen Aspekte und so wird unsere Sicht auf das
Außen genauso
verzerrt, wie wir die Sicht auf uns selbst verzerrt haben.
Ein
wunderschönes Wort, diese Begrenzungen zu benennen ist die
Rolle. Wir ordnen einer Rolle bestimmte Verhaltensweisen zu, und
hält sich
jemand nicht daran, sprechen wir gerne von ‚er/sie ist aus
der Rolle
gefallen’.
Mit dem Bezug auf eine
Situation, oder die Persönlichkeit kann hier
leicht das Wort Erwartung in seiner Bedeutung erkannt werden. Wir
erwarten eine
bestimmte Verhaltensweise durch die Festlegung einer Rolle. Wird die
erwartete
Verhaltensweise verlassen, kommt es zur Enttäuschung (siehe
auch Enttäuschung). Dieses Beenden der Täuschung wird allein durch den persönlichen Bezug, anstatt auf die
zugewiesene
Rolle, zum
Drama.
Eigentlich wurde
‚nur’ eine Rolle, durch die wir uns selbst,
oder einen Anderen ansehen, verletzt, oder verraten, oder verlassen,
und vieles
mehr ...
Die begleitende
Gefühlslage eines solchen Geschehens zeigt uns
wieder ganz genau wo wir stehen! Halten wir uns in dem Sehen durch
Rollen
gefangen, beziehen wir alle aufsteigenden Gefühle auf uns,
oder die Person und
leben dies mit aller Konsequenz auf die uns entsprechende Art und Weise
aus.
Als Alternative zu
solchem Erleben wird gerne das ‚Loslassen der
Erwartung’ empfohlen. Dies kann jedoch leicht zu Frustration
führen, denn wer
weiß genau um seine Erwartungen? Oder, welche Erwartungen
sind richtig, oder
falsch? Oder, wie sieht ein Leben ohne Erwartungen aus?
Das Loslassen der
Erwartung wird erheblich erleichtert, wenn wir als
ersten Schritt den Blick vom persönlichen Bezug weg und auf
die Rolle hin
lenken.
Dies erfolgt genau
dann, wenn ich vor/nach/im Schmerzerleben die
Fragen stelle: „Welche Rolle hat Person XY
enttäuscht?“, „Welche Rolle
habe ich Person XY gegeben?“, „Welche
Verhaltensweise habe ich der Rolle nicht
zugewiesen?“ – die letzte Frage ist am leichtesten
zu beantworten, denn sie
bezieht sich genau darauf, was ich Person XY vorwerfe (Du kannst
'Person XY'
auch durch Deinen Namen ersetzen) ...
Durch solcher Art
Fragen wird der Bezug zu der Persönlichkeit
aufgelöst. Das Betrachten einer Rolle ist neutral und deshalb
schmerzfrei! Der
Schmerz bleibt nur so lange erhalten, wie die Rolle den
persönlichen Bezug behält
(siehe auch Schmerz).
Hat der Mensch die
SELBSTbetrachtung schätzen gelernt, dann wird
er/sie durch die neutrale Betrachtung der vergebenen Rollen viel
über sich
lernen und deshalb mit Freude erfüllt sein. Die Freude
erwächst von selbst,
denn der Mensch ist sich bewusst, dass er/sie nur die Rolle um eine
weitere
Verhaltensweise erweitern braucht, damit der erlebte Schmerz sich in
Freude
verwandeln kann.
Ja, das ist alles, was
zu tun ist. Wozu die Rollen abschaffen? Wozu
sich quälen und Erwartungen loslassen? Natürlich darf
jeder diesen Weg wählen!
Aber, ich finde es viel einfacher und klarer meine gewohnten Rollen
beizubehalten. Sobald ich meine Betrachtungsweise durch sie
verändere
und auf sie blicke, hört mein
persönliches Drama auf und ich kann
die zugewiesenen Verhaltensmuster überdenken
und erweitern.
Die Rollen werden sich
dadurch ‚wie von selbst’
vergrößern und
irgendwann werden sie alles umfassen und sich aufgelöst haben ...
Herzlichst
Brigitte CH'AN*KA*RII