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Illusion
Beispiel: "ich bin verlassen worden"

Ein treffliches Beispiel wie ein Mensch eine Illusion einsetzen kann und wie diese dann auf ihn wirkt, findet sich im Bereich der Freundschaft. Zwei Menschen sind sich sympathisch (Bekanntschaft). Sie entdecken Gemeinsamkeiten (Zweckfreundschaft). Ein überprüfen von Art und Wesen fällt positiv aus, Vertrauen wird aufgebaut (Freundschaft). Erste Stürme werden gemeistert (gute/gefestigte Freundschaft)...

In diesem Beispiel verbindet zwei Menschen eine gute Freundschaft. Reger und intensiver Austausch, gemeinsames geistiges Wachstum und diverse Problembewältigungen beschäftigten sie täglich (manchmal auch mehrmals täglich) miteinander. Einer der Beiden geht in einen Rückzug, will etwas Abstand, aus welchen Gründen auch immer.

Dies ist das Szenario für eine Illusion, die der Andere erfahren kann:
Es ist egal, ob der Rückzug angekündigt wird, oder nicht. Ist es der Fall, wird die Art und Weise kritisiert werden, ist dies nicht der Fall, wird das Fehlen kritisiert *kicher*.
Denn, für den anderen ist es so, als ob ihn sein/e Freund/in verlassen hat!

Der mit dem Verlust einhergehende Schmerz kann enorm groß sein. Eine Ausdrucksform ist die Hinterfragung und Schuldzuweisung. Je nach Charaktertyp wird dies entweder auf den Freund, oder auf sich selbst bezogen.

Typische erste Gedankengänge:
- was ist denn los (mit ihm), warum meldet er sich nicht?
- ist was vorgefallen (hab ich was "falsches" getan/gesagt)?
- liegt ein Missverständnis vor?
- hatte er/sie einen Unfall o.ä.?
- hat er/sie mich noch lieb?

Schon in dieser Phase sind starke Emotionen eingebunden ("angepisst" oder "sauer" sein). Sie gründen auf:
Erinnerungen an ähnliche, erfahrene Situationen und die daraus gewonnenen Erkenntnisse stürmen mit jeder Emotion auf den Menschen ein. Die Illusion ist jetzt grundsätzlich gestaltet. Das Verhalten des Menschen unterliegt ab jetzt zuerst der Illusion; d.h. der Betroffene setzt seine persönliche Realität (ich bin verlassen worden) als allgemein gültige Realität voraus und wird deshalb auf alles was "vom Freund kommt" (auch gedanklich), aktiv/passiv aggressiv reagieren. Mit Bewusstheit kann ein anderes Verhalten erzeugt werden, trotzdem bleibt die Illusion "ich wurde verlassen" erhalten. Nur die Art des Erfahrens und die daraus resultierenden Re- und Aktionen ändern sich damit.

Meistens wird "der Verlassene" sich bei seinem Freund nach einiger Zeit in Erinnerung bringen wollen. Je nach Typ schnell/zögernd, penetrant/zurückhaltend, bindend/trotzig, fordernd/vorsichtig usw. - alles, um den Schmerz zu verringern. Durch die Abwehr des im Rückzug befindlichen Freundes werden all die noch unverarbeiteten Prozesse erneut durchlebt.

Typische Prozesse:
- Einsamkeit, verlassen sein, im Stich gelassen fühlen
- Themen von Selbstwert, oder Minderwertigkeit
- depressive Verstimmungen
- Hinterfragung der und von Freundschaft
- Zweifel oder Selbstzweifel
- Hass oder Selbsthass
- Ohnmacht, ausgeliefert sein u.ä.
- Neubewertung von Erlebtem
Abhängigkeiten oder Bindungen
- und immer wieder Enttäuschungen

Mit jedem Tag wird die Illusion intensiver (die Realität mehr verzerrt). Gemeinsam durchlebte Situationen werden aus dem Schmerz heraus ganz anders gesehen. Unser "Geist" rankt Geschichten und das niemals vergessende Ego steuert Erinnerungen bei. So werden Prozesse aktiviert und der Kreislauf (Illusion - Prozess - Illusion) ist geschlossen. Je nach dem was gerade ansteht, können viele/alle Aspekte der Persönlichkeit das Ihre beitragen. Körperliche Reaktionen (z.B. Verspannungen, Verdauungsprobleme, Kreislaufbeschwerden usw.) und selbstverständlich emotionale Reaktionen runden das Bild ab.

Spannend zu beobachten ist es, wenn der Freund, nach Wochen, seine Rückzugphase beendet hat und sich wieder meldet. Zwei Welten treffen aufeinander! Er hat diese Zeit der Stille für sich genutzt. Ihm ist vieles klar geworden, es hatte Zeit "sich zu setzen". Er hat manches in sich verarbeitet mit dem Ergebnis, dass er sich selbst z.B. wieder fühlen kann (wichtig für Empathen - siehe dazu Entladen). Er hat diese Zeit wirklich für sich selbst gebraucht und genutzt, was ihm erst am Ende so richtig klar wird. Da er bei sich selbst war, sieht er bzgl. der Freundschaft zuerst nur seine Weltsicht. In dieser ist nichts passiert, hat sich nichts verändert. Er glaubt dort weiter zu machen, wo er kurz vor dem Rückzug stand. Die "Hummeln im Bauch" beim anrufen, sprechen da eine andere Sprache...

Nun trifft er/sie auf seine/ihre Freund/in, der/die all das oben Beschriebene in dieser Zeit durchlebt hat. Und jetzt?    ...    jeder auf seine Weise    ...

Das Ergebnis kann vollkommene Klarheit über die Freundschaft (d.h. was sich diese beiden einander bedeuten) sein, oder auch zum Bruch (wenn die Illusion als Realität festgehalten wird) führen. Auf jeden Fall wird das Miteinander eine Veränderung (d.h. andere Qualität) erfahren.

"Der Verlassene" hat jetzt die Auswirkungen seiner Illusion (durch z.B. Großmut) zu überwinden. Der "Eremit" hat jetzt z.B. Mitgefühl für seinen Freund zu entwickeln (
sich daran erinnernd als er selbst "der Verlassene" war). Unterschwellige Schuldzuweisungen (meist aus enttäuschten Erwartungen), deren Abwehr und das gemeinsame Bewältigen, werden beide beschäftigen...

Im schönsten Falle kann so, aus einer guten Freundschaft, eine Freundschaft fürs Leben erwachsen *lächel*.

Herzlichst
Brigitte
 CH'AN*KA*RII

PS: meiner "besten" Freundin gewidmet, in der Hoffnung auf eine intensive Freundschaft für grenzenloses Leben